Bernhard Leitner
ifk Research Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2022 bis 31. Januar 2023

Zirkulation – Selektion – Exklusion. Hirnforschung zwischen Habsburgs Österreich, dem Japanischen Kaiserreich und dem kolonialen Korea



PROJEKTBESCHREIBUNG

Als eine Reihe von japanischen Ärzten um 1900 begann, am weltweit ersten neurologischen Speziallabor in Wien zu arbeiten, schienen die weitreichenden Auswirkungen dieses neuartigen Wissens um die Anatomie und Physiologie des Zentralnervensystems kaum abschätzbar. Durch ein anhaltendes Netzwerk konnten Wissensströme äußerst unterschiedliche politische Räume durchqueren: von der im Niedergang befindlichen Habsburgermonarchie über das aufstrebende Japanische Kaiserreich bis in das kolonial besetzte Korea. Das Forschungsprojekt wird unterschiedlichen Ansätzen über Fragen von Geschlecht und »Rasse« neuroanatomischer und neuropsychiatrischer Forschungen in diesem Setting nachgehen, um eine bisher unberührte Episode der transnationalen Wissenschaftsgeschichte zu entbergen. Es hat zum Ziel, unser Verständnis von Prozessen der Translation, Zirkulation, Selektion und Exklusion wissenschaftlichen Wissens in unterschiedlichen institutionellen, politischen und kulturellen Kontexten zu erweitern.



CV

Bernhard Leitner studierte Japanologie und Philosophie an der Universität Wien und der Städtischen Universität Tokio. Er schloss seine Dissertation zur Kooperation in Psychiatrie und Neurologie zwischen den Universitäten Wien und Tokio im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien ab. Er war Toshiba Foundation Fellow, Junior Fellow am IFK und Visiting Fellow am Department of the History of Science an der Harvard University sowie am Friedrich-Schiedel-Lehrstuhl für Wissenschaftssoziologie der Technischen Universität München. Erst am Needham Research Institute in Cambridge (UK) und jetzt am IFK in Wien entwickelt er ein Postdoc-Forschungsprojekt zu kolonialen Spuren medizinischer Forschung in Ostasien, das Wissensströmen und Praktiken in ihrer Zirkulation zwischen Österreich, Japan und Korea im 20. Jahrhundert folgt.



Publikationen

»A Nobleman of Neurology meets a Father of Psychiatry. Viennese Neurological Networks in the Making of Psychiatric Elites in Japan«, in: Aleksandra Kobiljski, Nicolas Fieve (Hg.), Professional Elites of Modern Japan, Paris 2022 [im Erscheinen]; »Psychiatrie und Neurologie zwischen Wien und Tokyo. Zur Rolle eines transnationalen Netzwerkes in der Entwicklung der akademischen Medizin in Japan circa 1900«, in: Daniela Angetter et al (Hg.), Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848–1955, Göttingen: Vienna, University Press 2018, S. 533554; »Zum Transfer von Psychiatrie: Narrative, Termini und transkulturelle Psychiatrie in Japan«, in: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin, Vol. 22:3, 2014, S. 163180.



14 November 2022
18:15
  • Lecture
IFK & IFK@Zoom
Bernhard Leitner

Koloniale Gehirne. Zur Geschichte neurologisch-psychiatrischer Forschung in Österreich, Japan und Korea

Am Beginn des 20. Jahrhunderts wurden am Wiener Neurologischen Institut detaillierte Analysen menschlicher Gehirne durchgeführt, die verbreitete sexistische und rassistische Lehrmeinungen der europäischen akademischen Welt herausforderten. Aber wie wird die Wissenschaft am anderen Ende der Welt, in Japan, darauf reagieren?

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